FC Bayern München - SV Werder Bremen 4:5i.E. (1:1,1:1,1:1)
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Bremen: Rost - Trares - Todt, Wicky - Eilts, Dabrowski, Maximow, Wiedener - Herzog - Frings, Bode
München: Kahn - Matthäus - Linke, Kuffour - Babbel, Jeremies, Effenberg, Tarnat - Basler, Jancker, Scholl
Eingewechselt: 45. Wojtala für Herzog, 69. Bogdanovic für Dabrowski - 37. Ali Daei für Kuffour, 57. Fink für Jeremies, 84. Salihamidzic für Scholl
Reservebank: Brasas (Tor), Flock, Brand, Benken, Ailton - Scheuer (Tor), Zickler
Tore: 1:0 Maximow (4., Rechtsschuß, Vorarbeit Dabrowski), 1:1 Jancker (45., Rechtsschuß, Effenberg)
Elfmeterschießen: 1:0 Bode, 1:1 Salihamidzic, Kahn hält gegen Todt, 1:2 Daei, 2:2 Bogdanovic, 2:3 Tarnat, 3:3 Wicky, 3:4 Jancker, 4:4 Eilts, Effenberg schießt drüber, 5:4 Rost, Rost hält gegen Matthäus
Chancenverhältnis: 7:11
Eckenverhältnis: 3:5
Schiedsrichter: Aust (Köln - Assistenten: Friedrichs, Webers), Note 5,5 - hätte Basler nach Tätlichkeit gegen Herzog (34.) Rot zeigen müssen, ahndete Linkes Foul an Herzog nicht, fiel generell auf etliche Faller herein und bevorteilte vor allem in der ersten Halbzeit die Bayern
Zuschauer: 75.841 (ausverkauft)
Gelb-Rote Karten: Basler (114.)
Gelbe Karten: Rost, Trares, Wicky - Jancker, Effenberg, Basler
Spieler des Spiels: Frank Rost
Spielnote: 3,5
Analyse
Es war ein Pokal-Finale, an dem sich die Geister scheiden werden: Spannend, gar dramatisch bis zum letzten Elfmeter von Lothar Matthäus, spielerisch aber dürftig. Nichts war von der qualitativen Überlegenheit der Bayern zu spüren, die sie über fast die gesamte Saison an den Tag gelegt hatten. Nichts von Bremer Fußball-Schule der guten achtziger Jahre. Aber der dramatische Ablauf wird dieses 56. Pokal-Finale als dramaturgischen Höhepunkt in die Annalen eingehen lassen.

Werder Bremen, der fußballerische David, gewann das Duell gegen Goliath Bayern zweifelsfrei glücklich, aber nicht unverdient. Die Norddeutschen boten die geschlossenere Mannschaftsleistung, den größeren Einsatzwillen, und hatten in Frank Rost und Dieter Eilts die einzig überragenden Figuren auf dem Feld. Was schließlich reichte, um den Bayern den Schneid abzukaufen.

Was andererseits unterstreicht, daß der Meister noch längst nicht die Souveränität einer überragenden Klasse-Mannschaft besitzen.

Ottmar Hitzfeld hatte trotz der alleinigen Werder-Spitze Bode drei gelernte Manndecker eingesetzt, Babbel allerdings für den verletzten Strunz nach außen gezogen, um Maximow abzudecken - gegen die offensiv-schwachen Bremer damit die Defensiv-Personalie aus dem Champions-League-Finale gewählt. Seinen Irrtum erkannte er frühzeitig und brachte für den meist orientierungslos herumirrenden Kuffour mit Ali Daei eine offensive Ergänzung.

Herzogs Verletzung warf die Taktik um

Bis dahin hatten die Bremer ein agiles Wechselspiel zwischen Herzog und Bode aufgezogen, wobei Bode mit seinem Pendeln zwischen alleiniger Spitze und sofortigem Umschalten auf eine defensive Aufgabe im Mittelfeld ein riesiges Laufpensum auf sich nahm. Die Verletzung von Herzog durch ein derbes Foul von Linke nach etwa einer halben Stunde warf diese taktischen Pläne durcheinander. Zumal der stark beginnende Dabrowski mehr und mehr nachließ.

In dieser Phase zeigte sich die Klasse von Kapitän Dieter Eilts. Hatte er anfangs durch Querschläger im eigenen Strafraum für mächtig Unruhe gesorgt, wuchs er dank unermüdlichem Kampfgeist und wachsender Übersicht zur zentralen Figur im Werder-Team. Engagiert wies er immer wieder seine Nebenleute ein und zurecht, an ihm richteten sich die lange zögerlichen Wicky und Wiedener auch in ihrem Offensiv-Drang auf. Vor allem aber gewann auch der nervös beginnende Torwart Frank Rost durch die vorbildliche Leistung von Eilts an Selbstvertrauen: Mit glänzenden Paraden vereitelte er nach Einzelleistungen der Bayern hochkarätige Chancen und bügelte somit manche Schwächen in der Abwehr aus.

Beim Deutschen Meister schien nach dem Schock des frühen 0:1 das Trauma des Champions-League-Finales erneut erweckt zu sein. Ohne Selbstvertrauen, ohne Ideen, fast blockiert spulten die Münchner ihre Aufgaben herunter. Matthäus hielt sich fast nur im halbrechten Mittelfeld auf, ohne Absicherung gegen Werder-Konter, die die Schwächen der Bayern- Abwehr bei Bällen in den Rücken offenlegten. Effenberg konnte sich der wechselweisen Bewachung von Eilts und Dabrowski selten entziehen und ergab sich mit Ausnahme der Schlußphase mit zu wenig Power in sein Schicksal. Trauriger Negativ-Höhepunkt für ihn war der verschossene Elfmeter. Tarnat und Babbel egriffen viel zu selten die Initiative. Und die nominellen Außenstürmer Basler und Scholl verharrten viel zu lange auf den ungewohnten Anfangs- Positionen, anstatt durch ständige Rochaden wirklich für Verwirrung in der Werder-Abwehr zu sorgen. Lediglich vereinzelt blitzten bei den Münchner Stars Ideen und damit sehenswerte Kombinationszüge auf, die Jancker und dem nach der Pause drangvollen Matthäus Chancen eröffneten.

Die Verlängerung und der Elfmeter-Krimi bescherten dann weiteren Unterhaltungswert eines typischen Pokal-Fights.

Daß der spielerische Rahmen über lange Phasen hinweg so dürftig ausfiel, unterstreicht die derzeitige Verfassung beider Teams: Der FC Bayern scheint nach dem Schock gegen Manchester - der wohl doch tiefer sitzt als angenommen - psychisch nicht gefestigt genug, um wirklich als Ausnahme-Mannschaft zu gelten. Jetzt werden die ersten Aufgaben der neuen Saison zeigen müssen, ob die Führungs- Spieler wie Effenberg und Matthäus wirkliche Sieger-Mentalität besitzen.

Werder dagegen verließ sich auf die derzeit primär vorhandene Tugend, den unermüdlichen Kampfgeist. Es genügte zum Erfolg im Berliner Olympia-Stadion. Ob dies ausreicht, im kommenden Jahr an größere Ziele denken zu können, neben dem einer sorgenfreien Bundesliga-Runde etwa an ein Vordringen im UEFA-Cup, bleibt ungewiß angesichts der geringen Einkaufsliste.

Viel Arbeit wartet auf beide Kommando-Ebenen.

Von Rainer Holzschuh

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